sudan.

.terry für "ärzte ohne grenzen" im sudan

hier findet ihr infos von terry zu seiner arbeit im sudan und zu gegebenheiten, die er dort antrifft.
terry ist dort tatsächlich auch per mail zu erreichen - jedoch - und darum bittet er ausdrücklich - mit mails, die maximal 200 kb groß sind bzw. deren anhänge entsprechend klein gehalten werden. grund ist die enorm teure satelliten-verbindung, die auch durch spendengelder finanziert wird.
hier seine aktuelle mail-adresse:
"msfh-feina-sat" <msfh-feina-sat@field.amsterdam.msf.org>

informationen zu ärzte ohne grenzen

auf der webseite http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/ finden sich alle relevante informationen zu msf, unter http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/Laender/Laenderauswahl/Sudan.php speziell zum thema sudan.

bilder aus der provinzhauptstadt nyala im sudan:

beim freien bilderdienst "flickr" finden sich auch bilder aus der region um die provinzhauptstadt nyala, in deren ecke sich terry aufhält.
sie vermitteln zumindest einen eindruck der landschaft.
zu den bildern gehts hier.

die mails von terry:

***Mail vom 21.12.2007 - Achtung: 2 Stück!!!***

Liebe Freunde,

Wie die meisten von Euch habe auch im Moment eine etwas ruhigere Zeit. Seit dem 18.12. haben wir Feiertage (Eid) und das geht noch bis zum 26.12. Natuerlich arbeite ich auch an diesen Tagen. Was soll man sonst grossartiges machen. Ja, man koennte mal wieder schreiben. Richtig, das habe ich auch ein wenig getan. Im Anhang findet ihr die kurze Beschreibung wie es aussehen kann, wenn man fuer MSF als Logistiker auf mobile clinic ist und ein paar Einkaeufe auf einem regionalen Markt machen muss.
Ansonsten - wie ueblich - alles in Ordnung, also zumindest bei mir. Im Darfur im Allgemeinen ist natuerlich gar nichts in Ordnung. Aber davon hoert ihr ja wahrscheinlich relativ haeufig in den Medien.Was gibt's bei mir persoenlich Neues? Nicht viel, ausser dass ich letzten Monat einen ganz tollen Urlaub in Kapstadt hatte. Ich mag mein Projekt und meine Kollegen in Feina, aber nach zwei Monaten ohne auch nur einmal an einem anderen Ort gewesen zu sein, war es mal wieder hoechste Zeit andere Menschen und eine andere Umgebung zu sehen. Umso mehr habe ich es dann genossen wieder in einer Stadt zu sein, die sehr, sehr an Europa erinnert und an nichts missen laesst. Hinzu kam,dass ich um nichts wirklich kuemmern musste. Elena, die mich netter Weise eingeladen hat, hat mir nicht nur ein Platz zum schlafen zur Verfuegung gestellt. Nein, sogar ein perfekt geplanter viertaegiger Roadtrip entlang der Garden Road, sowie ein grandioses Wochende in den Ceder Bergen, mit Haeuschen am See usw. war im Programm. Ich kann euch sagen: Einfach spitze! Ich glaube ich haenge mal ein, zwei Fotos an, um euch ein wenig neidisch zu machen... ;-)
Ach ja, ich habe mich nun dazu entschlossen, meinen Vertrag hier im Darfur um 2 1/2 Monate auszudehnen. Das bedeutet, wenn meine Vorgesetzten mit mir und meiner Arbeit zufrieden sind werde ich anstatt Mitte Maerz erst Ende Mai wieder in D'land sein - rechtzeitig, um den Sommer zu geniessen!
By the way, falls jemand von euch oder aus eurem Bekanntenkreis um diesen Zeitpunkt herum sein PKW loswerden will und dieser noch mindestens drei Monate TUV hat: Ich waere ein dankbarer Abnehmer. Ich koennt euch ja mal umhoeren - Danke schoen!
Tja, nun habe ich aber wirklich nichts mehr zu erzaehlen. Ich wuensche euch eine moeglichst stressfreie Zeit "zwischen den Jahren" und den Xantenern einen gesegneten Appetitt im El Dorado: Die- oder denjenige(n), die/der mit einer blau-weiss gestreiften Nikolausmuetze, den Zebra-Twist singend, drei Underberg im El Dorado an andere Gaeste ausgiebt, lade ich zu einer Tretbootfahrt wahlweise auf den Krickebecker Seen oder dem Baldeneysee ein. Ein anschliessender Besuch eines Restaurants und etwaige Drinks in DU oder sonstwo verstehen sich von selbst als inklusive.
Viel Spass!
Bis dann, kommt gut ins neue Jahr,

frank

NACHTRAG:

Die Quarzuhr

Es ist 13:4423. Die digitale Zeitangabe habe ich von meiner neuen Armbanduhr abgelsen. Es ist eine CASIO. Besser gesagt es soll eine sein. Ich zweifele stark, dass im Sudan überhaupt eine echte CASIO existiert. Na ja, vielleicht hat der eine oder andere von der Regierung eine – gekauft mit Ölgeldern. Wie dem auch sei, meine habe ich heute morgen gekauft, hier auf dem Markt in Deribat. Sage und schreibe 14,- Sudanese Pound (ca. 4,- €) habe ich dafür hingeblättert. Und geblättert ist die richtige Beschreibung, denn der Stapel Ein-Pfund-Noten, den ich mit mir herumtrage, um ausreichend Kleingeld in der Tasche zu haben, strahlt nicht gerade wie frisch gewaschen. Nichtsdestotrotz könnte der Zustand der Scheine auf einige Umdrehungen in einer Waschmaschine hinweisen, wenn es denn eine gäbe.

Die neue Uhr war notwendig, weil alle anderen Geräte, die ich mit mir herumtrage und mir die Zeit ansagen, mangels Elektrizität ihren Dienst verweigerten. Grundsätzlich kein Drama, aber da wir hier gerade eine Mobile Clinic druchführen und ich die Verantwortung für meine KollegInnen trage, muss ich morgens um 09:0000 und abends um 18:0000 meinem Projekt in Feina per Kurzwelle berichten, dass unsere Situation „Oskar Kilo“ ist. Geschieht dies nicht bis spätestens 20 min nach vereinbarter Zeit, so wird die Zentrale in Nyala eingeschaltet und man versucht von deren Seite Kontakt mit uns aufzunehmen. Schlägt dies ebenfalls fehl werden weitere Schritte eingeleitet, d.h. man macht sich auf die Suche nach uns. Und heute morgen schlug die Kontaktaufnahme fehl! Feina war schon ganz nervös. Nyala versuchte uns per Funk und per Satelittentelefon zu erreichen. Aber sie erhielten keine Antwort aus Deribat. Doch dann um 09:2315: "Aaaahhhh, f... - radio contact!" Ein paar Minuten mehr ohne Kontakt und die grünen Lichter wären auf gelb gesprungen. Somit war klar, dass ich eine Uhr brauche. Warum dann nicht back to the 80ies und eine Quarzuhr mit Panzerarmband und Klickverschluss gekauft?

Schaue ich nun auf die kleinen grauen Zahlen, die einst so geradlinig den Anbruch der digitalen Zeit für jedermann anzeigten, wecken sie nicht nur Erinnerungen an meine frühen Teenager-Jahre in mir. Sie sagen mir auch, dass "Fatur" seit mindestens 31 Minuten und 27 Sekunden vorüber ist und unser lokalen Mitarbeiter nun aber wirklich langsam aus ihrer Mittagspause zurück kommen könnten. Zwar haben wir bisher keinen allzu großen Andrang (es warten nur 20 bis 30 Leute), aber ich muss noch zum Markt einige Bersorgungen machen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich die beiden MUAC*-Guys mitnehmen, damit sie sich im Markt auf die Suche nach unterernährten Kindern machen können. Sie sollen die Mütter dazu anhalten entweder noch heute oder innerhalb der nächsten beiden Tage unsere mobile Klinik zu besuchen.
Piep, piep: Es ist 14:0000, das heißt eigentlich haben wir erst 13:0000 "liberated time". Hier im Dafur, wo die Rebellen das Sagen haben, schlagen die Uhren eben anders als im restlichen Sudan. Alles findet eine Stunde später statt und so ist es angeraten bei Verabredungen mehrfach zu betonen, dass man Khartoum-time und nicht "liberated time" meint. Nichtsdestotrotz wird die unterschiedliche Zeitangabe selbstverständlich gerne als Entschuldigung für etwaige Verspätungen angeführt. So auch von meinen MUAC-Guys.
Aber nun sind sie da und so geht's endlich zum Markt. Der Besuch eines Marktes bereitet mir erst dann wirklich Freude, wenn ich tatsächlich etwas kaufen möchte – und das möchte ich! Der hiesige Markt ist einfach genial. Ein Markt, wie aus einem orientalischen Bilderbuch: Hier hämmern die Schmiede ihre Schüppen, Messer und Sicheln. Dort ziehen die Bettenmacher in aller Ruhe ihre Strippen auf die nackten Gestelle. An der nächsten Ecke hängen die geschlachteten Ziegen kopfüber vom Baum und warten darauf, dass man ihnen das Fell über die Ohren zieht. Und mitten auf dem großen Platz sitzen Frauen und verkaufen Bohnen, Linsen und Tomaten. Umrandet wird der Markt von den Hütten und Ständen der Schuster, der Händler für Kleinwaren und denjenigen, die moderne Dinge wie Cassetten, Radios und eben Quarzuhren verkaufen.
Kaufen möchte ich heute unter anderem Fußbodenmatten, universell einsetzbar als Untergrund zum schlafen, als Platz zum essen oder als Gebetsteppich. Bestimmt wird der Zweck einzig durch die aktuelle Tageszeit. Zehn dieser Matten und die nächsten mobilen Kliniken werden um einiges komfortabler. Ein Geschäft mit Matten haben Nasir und ich bereits am Morgen ausfindig gemacht, als wir Brot und Gemüse für den Tag gekauft haben. Nach einer kurzen Zeit des Wartens (vielleicht so ca. 7:43 min) findet sich auch, vom Nachbarn gerufen, der Händler ein: „Salama alikum" – „Alham d'Allah" - „Alham d'Allah" - „Salam, salam" - „Alham d'Allah" - „Alham d'Allah" - „Salam" - „Keff" - „Alham d'Allah" - ... „Matten? Ja, die haben wir. Welche Größe? Klein oder groß?" „Nein, wir brauchen die großen. Wieviel kosten denn die?" „Ja, die großen sind teurer als die kleinen." „Ja, das ist schon klar, aber was ist der Preis?" „Ach, ihre seid aus Feina. Ihr seid mit der mobilen Klinik hier - Alham d'Allah! Was wollt ihr denn sonst noch kaufen?" „Eigentlich nichts weiter. Wie ist denn nun der Preis?" „Ach, weißt Du was, für euch 23,-" „Ach, 23,-! Das ist aber teuer." „Ich sagte ja, die großen sind teurer als die kleinen. Die kleinen kosten nur 20,-" „Wir brauchen aber die großen und weißt Du unsere NGO hat nicht viel Geld. Wir leben nur von den Spenden anderer Leute. Ich kann dir nur 20,- für eine große Matte geben." „Ach, 20,- nur! Das ist aber viel zu wenig. 22,- must Du mir schon geben." „Ach, 22,- so viel! Aber was ist, wenn wir zehn Matten auf einmal kaufen?" „Ja, dann zahlt ihr nur 21,- pro Matte." „O.k., wir geben dir 200,- und bekommen zehn Matten - tamam?" Ein kurzer Moment der Stille folgt. Doch dann: „Tamam - o.k.!" Ein Handschlag und das Geschäft ist gemacht.
Nun brauchen wir nur noch jemanden, der uns die Matten zur Klinik trägt. Aber das ist kein Problem. Als einziger Weißer in der ganzen Stadt, stelle ich eine Attraktion dar, weshalb immer eine Vielzahl von Menschen stehen bleiben, um zu beobachten was dieser Weisse dort so treibt. So ist schnell jemand gefunden, der unsere Waren für 2,- Pfund zurück trägt und wir können uns auf die Suche nach 900 Stück Seife machen. Es folgt das gleiche Spiel mit anderen Akteuren: Begrüßung, small talk, Verhandlung, eventuell zwischendurch noch ein Tee und dann die Organistion des Transports. Da Einkäufe auf diese Weise eine nicht unbeachtliche Zeit in Anspruch nehmen, werde ich auch die nächsten beiden Tage noch damit beschäftigt sein, Mounier-Eisen, Holzbänke, Plastiktische und -stühle, Bohnen, Linsen, DIN A4 Papier, Klebstoff, eine Feile und einen Fussball zu kaufen. Hinzu kommen noch all die Dinge, an die man erst denkt, wenn man sie sieht. Irgendwie ist es dann doch wie beim Shoppen im CentrO...

Piep, piep, piep, piep, piep: 17:4500 – Die Alarmfunktion piept so lange bis ich sie ausschalte. Ja, ich habe gelernt: Eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit erinnert mich mein silberner Stolz daran, dass gleich der Radiocheck stattfinden wird. Diesmal nehme ich rechtzeitig Kontakt mit meinem Projekt auf: "Foxtrott Echo for Delta Echo - Situation Oskar Kilo!"

*middle upper arm circumfirence: Mittels eines vierfarbigen MUAC-Bands wird der mittlere Oberarmumfang von Kindern mit einem Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren gemessen. Auf diese Weise kann sehr schnell abgeschätzt werden, ob das Kind normal (grün) entwickelt, gefährdet (gelb), unterentwickelt (orange) oder stark unterentwickelt ist (rot). Orangene und rote Kinder haben die Möglichkeit an einem speziellen Ernährungsprogramm in unserer Klinik teilzunehmen, bis sie ein normales Gewicht entwickelt haben.
 

***Mails vom 15.10.2007 - Achtung: 2 Stück!!!***

Mail 1: Blick aus dem Heli auf Feina

Hi,

Seit längerem wollte ich euch schon dieses Foto schicken. Qualitativ nicht besonders gut, da vom Helikopter aus durch Plexiglas gemacht. Zudem musste ich es stark verkleinern, um es verschicken zu können. Aber ich denke es gibt eine ganz guten Eindruck von Feina und der Lage unserer Klinik:

Wenn ich also in meinen mails von Feina spreche, dann meine ich insbesondere diese Anhäufung an Hütten und Verschläge, die im Vordergrund zu sehen sind. Im Prinzip handelt es sich dabei nur um den Marktplatz. Aber vielmehr gibt es auch nicht. Die Leute wohnen alle ziemlich zersiedelt hier und dort in den umliegenden Bergen, um vor Luftangriffen sicher zu sein.

Der kleine Kreis im östlich unserer Klinik ist der Landeplatz fuer den Helikopter. Ihr koennt euch sicherlich gut vorstellen, wie schwierig es ist, diesen Platz an Sonntagen, wenn Markttag ist abzuriegeln, so dass niemand seinen Esel dort parkt und im Moment, wenn der Heli landet nicht zu nahe kommt. Denn natuerlich kommen alle und jeder vom Markt herangelaufen, wenn das Flattern der Rotoren zu hoeren ist. Aus diesem Grund und weil der Heli direkt ueber unsere Klinik fliegt und dort alle Plastikplanen (und davon haben wir einige verbaut) extremen Belastungen aussetzt, wollen wir ihn in Richtung Sueden verlegen. Hinter unserem Gelaende, direkt am Rande des Kliffs. Alles klar?

Mail 2: Eid (gesprochen: ied)

„Eid saeed – Eid mubarak!“ und jeder freut sich. Ja, tatsächlich, es ist schon eine ganze Weile her, dass ich so viele glückliche Menschen zur gleichen Zeit gesehen habe. Es ist nicht die tatsächliche Anzahl Menschen, es ist der relative Anteil der mich umgebenden Menschen, die glücklich und fröhlich sind, nämlich alle. Eid kam überraschend und leise zugleich. Eid beendet die vierwöchige Fastenzeit Ramadan. In Deutschland ist Eid machen als Zuckerfest bekannt. Da niemand im Vorhinein bestimmen kann wann der Ramadan tatsächlich endet, kann auch niemand wissen wann Eid beginnt. Ramadan – soviel ist klar – beginnt mit Neumond und endet wenn der nächste Neumond gesichtet wird. Dabei ist es weniger von Bedeutung, ob wir tatsächlich Neumond haben. Wichtiger ist es, dass irgendein Ober-Mufti (fragt mich nicht nach Einzelheiten) in Mekka in den Himmel schaut und den Mond sieht. Ist dies der Fall, so wird diese Information sodann in der ganzen Welt verbreitet und diejenigen, die gefastet haben freuen sich wie wild – wahrscheinlich vor allem weil sie die Fasterei endlich hinter sich gebracht haben.

Nun, jedes Jahr gehen der offiziellen Ankündigung selbstverständlich Spekulationen und Berechnungen voraus. So hat hier in Feina jeder damit gerechnet, dass Eid in der Nacht von Freitag auf Samstag beginnen wird. Donnerstagabend haben wir wie gewohnt alle gemeinsam gegessen. Zwar hat jemand versucht mit dem GPS herauszufinden, ob wir eventuell schon diese Nacht mit Neumond rechnen könnten. Da aber gleichzeitig und unentwegt das Kurzwellenradio lief, wurde dem GPS kaum Beachtung geschenkt. Schließlich ist nur richtig und wichtig, was offiziell bekannt gegeben wird. Und dafür gibt es nun einmal das Radio. Doch niemand hat das Ende des Ramadans verkündet. Zumindest nicht bis zu dem Zeitpunkt als sich auch der letzte von uns schlafen legte. Es ist sieben Uhr morgens: Ich liege im Bett, befinde mich im Halbschlaf, plötzlich krachen völlig unerwartet erste Schüsse – Eid! Scheinbar hat ganz Feina die Bekanntmachung verschlafen und nun mit mehrstündiger Verspätung beginnt die Zelebrierung. Immer wieder, mal von West, mal von Ost und auch vom Norden her fallen Schüsse – happy gunfire! Ich stehe auf. Schlafen kann ich nun eh nicht mehr. Und da sind sie alle, die glücklichen, fröhlichen Gesichter meiner KollegInnen, die mir die etwas eigenwillig klingende Übersetzung von „Eid saeed!“ nämlich „Happy Eid!“ zurufen. Ich schließe mich dem an und grüsse – anfangs noch etwas schwerfällig über meine Lippen kommend – mit „Happy Eid!“ zurück. Ansteckend, wirklich richtig ansteckend ist diese Fröhlichkeit. Ich habe Nichts mit Ramadan zutun. Ich habe nicht gefastet. Ich habe mir das Ende nicht ersehnt und trotzdem freue auch ich mich. So geht es über mehrere Stunden. Immer wieder kommen andere Mitarbeiter, zumeist Männer. Sie tragen alle ihren saubersten, weißesten, strahlendsten Jelabiya, um uns „Happy Eid!“ zu wünschen. Irgendwie scheint aber auch für so manchen unser Bügeleisen einen gewissen Anreiz darzustellen. Denn bis zum jetzigen Zeitpunkt habe ich noch keinen unserer Guards hier bügeln sehen. Aber heute stehen sie förmlich Schlange, um ihr Jelabiyas zu bügeln.

Gegen Mittag eine erneute Steigerung der Fröhlichkeit: Von Weitem hört man freudiges Trillern. Wieder fallen Schüsse. Diesmal mehr als am Morgen. Trotzdem, wieder scheint es sich um happy gunfire zu handeln. Ich folge meinen KollegInnen, die alle in die östliche Ecke unseres Klinikgeländes laufen. Ich bin gespannt, was mich erwarten wird. Jeder um mich herum hat immer noch diese Fröhlichkeit in ihrem/seinem Gesichtsausdruck. Nur scheint die Fröhlichkeit im Vergleich zum Morgen noch größer und noch ansteckender – irgendwie intensiver zu sein. Es ist ein großartiges Bild, das sich mir bietet: Acht Pferde, besetzt mit jeweils zwei Personen und umringt von Frauen in bunten Kleidern, die ihrer Freude durch lautes Trillern zum Ausdruck bringen, kommen die Strasse entlang gelaufen. Am Ende des Zuges sind die Männer, selbstverständlich gekleidet in Jelabiyas. Überall stehen Gruppen von Menschen, die den Ankömmlingen mir unverständliche, aber offensichtlich freundlich gesinnte Worte zurufen. Es ist eine großartige Stimmung! „Was ist den eigentlich los?“ frage ich einen meiner Kollegen, als ich die mehr als hundertköpfige Gruppe die Straße ortseinwerts kommen sehe. „Das sind die 17 Leute!“ lautet die knappe aber mir ausreichende Antwort, um die Situation verstehen zu können.

Vor mehr als zwei Monaten sind 17 Händler auf ihrem Weg von Nyala nach Feina von Banditen gekidnappt worden. Mit dieser als Revanche geplante Aktion wollten die Banditen ihre vier Kollegen frei pressen, die einige Wochen zuvor bei dem Versuch Rinder zu stehlen von den lokalen Rebellen überrascht und kurzerhand erschossen wurden. Als die Banditen davon erfuhren bestanden sie zumindest auf einen finanziellen Ausgleich für den menschlichen Verlust, den die Gruppe erlitten hat: 2.100,- Sudanese Pounds. Das sind umgerechnet ca. 800,- Euro. Eine durchaus beachtliche Summe für hiesige Verhältnisse. Die Community von Feina wurdde aufgerufen Geld zu sammeln, um die Geiseln frei kaufen zu können. Verhandlungen begannen. Mehrfach in den letzten Wochen gab es Treffen zwischen den beiden Parteien. Briefe für die Angehörigen wurden ausgetauscht. Mehrfach hieß es, die Geiseln würden freigelassen, aber nie kam es tatsächlich dazu. Doch in der letzten Woche wurden die letzten Zahlungen getätigt. In Form von Rindern, Ziegen, Kamelen und einem Pferd wurde schließlich die Summe von 1.000,- Sudanese Pound bezahlt. Zusätzlich wurde das Versprechen gegeben den Rest später zu zahlen – Inshallah!

Mittlerweile ist es Sonntag. Der dritte freie Tag in Folge und immer noch liegt eine gewisse Fröhlichkeit in der Luft. Bei weitem nicht mehr mit der Intensität der ersten Stunden, aber das ist o.k. so. Nun genießt jeder die Ruhe der vier arbeitsfreien Tage auf sein Art, so auch ich:

Bis dann,
frank

***Mail vom 06.10.2007***

Hallo,

Dies wird keine besonders lange email. Stattdessen moechte ich mich nur kurz melden und mitteilen, dass bei mir alles o.k. ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass Ihr in den letzten Tagen und Wochen vermehrt Berichte ueber den Darfur gesehen, gehoert oder gelesen habt. Ja, tatsaechlich die Situtation wird von Tag zu Tag schlimmer, aber gluecklicher Weise NICHT HIER! Jeden Morgen waehrend des Fruehstuecks unterrichtet Sam unser Project Coordinator uns ueber die aktuelle Sicherheitslage. Es ist unglaublich: Seit Beginn des Jahres sind ueber 100 PKW, zumeist Land Cruiser von UN und NGOs gestohlen worden. Hoehepunkt war bisher der Ueberfall auf ein Camp Afrikanischen Union. Ihr habt sicherlich davon gehoert. Hintergrund der zunehmenden Gewalt und der Anzahl der Ueberfaelle bzw. Auseinandersetzungen sind die anstehenden Friedensgespraeche. So, irrsinnig es sich anfangs anhoeren mag, so einleuchtend ist es bei genauerer Betrachtung. Will man politischen Einfluss bekommen (und damit auch finanzielle Vorteile) muss man mit am Verhandlungstisch sitzen. Am Verhandlungstisch sitze ich aber nur, wenn ich eine ausreichend grosse Gruppe von Menschen repraesentiere oder bzw. ein ausreichend grosses Gebiet unter Kontrolle habe. Um dies zu erreichen benoetige ich natuerlich Waffen, KfZ und Geld. Tja, und wo ist das, mit Ausnahme der Waffen, einfacher zu beschaffen als bei den NGOs? Aber, wie gesagt, dies alles geschieht um mich bzw. Feina herum. Hier ist alles voellig ruhig. Heute konnte man zwar wieder vereinzelte Schuesse hoeren, aber die waren weit, weit weg! Oder gestern Nacht: Gegen zehn Uhr abends wird ploetzlich ganz in unserer Naehe, auf dem Markt geschossen, geschossen und nochmals geschossen. Fuer zwei, drei Minuten (oder waren es vielleicht nur mehrer Sekunden) schien die Schiesserei nicht abzureissen. Aber bereits waehrend die Schuesse fielen, konnte man erahnen, dass es sich um "freundliche" Schuesse handelt, als kein SchussWECHSEL. Nichtsdestotrotz mussten wir uns alle im Office versammeln und abwarten wie die Situation sich entwickelt. Nach ca. zwanzig Minuten konnten wir das Office dann wieder verlassen, da keinerlei Schuesse mehr fielen. Weitere zwanzig bis dreissig Minuten spaeter kam dann ein Commander der SLA und informierte uns, dass es bei den vorangegangen Schuesse nur um einen Ausdruck der Freude handelte, als eine verbuendete Gruppe von Sodaten Feina erreichte.

Ansonsten laeuft hier alles wie gehabt. Wir haben viel Arbeit, sind weiterhin sehr beliebt und die Klinik waechst und waechst und waechst. Unser neues Inpatient Department ist seit einer Woche fertig und so gut wie komplett eingerichtet, d.h. es koennen nun bis zu dreissig Kinder, die dort mit ihren Muettern uebernachten, ueber meherere Wochen ernaehrt werden. Zwei neue Zelte schaffen nun wieder den notwendigen Raum, den wir fuer die ambulante Versorgung der unterernaehrten Kinder brauchen. Weiterhin haben wir neue Latrinen fuer die Patienten gebaut. Einen neuen Platz, wo die Muetter sich und ihre Kinder waschen koennen sowie einen Platz zum Waesche waschen haben wir ebenfalls eingerichtet. Beide Plaetze sind mit Drainagen versehen und das abfliessende Wasser versickert kontrolliert im Boden, um moegliche Brutstaetten fuer Muecken und Krankheiten zu eleminieren. Darueber hinaus haben wir fuenf neue Tukuls fuer unsere neuen KollegInnen und fuer Gaeste gebaut, als auch die Abteilung fuer ante-natal care vergroessert. Die Loecher (4m x 2m und 4m x 1m) fuer unsere DRINGEND benoetigten Latrinen sind auf eine Tiefe von ca. 2,5 m ausgehoben. Tiefer ging es beim besten Willen nicht mehr, der Fels ist schlichtweg zu hart, als dass die Jungs mit ihrer Pickhacke, Hammer und Meissel tiefer gehen koennten. Drei Betonplatten haben wir gegossen, die noch eine Woche lang aushaerten muessen und dann kann das neue Loch wieder aufgegefuellt werden. Gerade bin ich dabei eine Solaranlage fuer einen Kuehlschrank zu installieren, um endlich auch eine vernuenftige Kuehlkette zu haben. Diese ist wichtig, wenn wir groesser angelegte Impfkampagnen durchfuehren wollen, und das wollen wir kuenftig. Ebenso wollen wir kuenftig mehr mobile Kliniken anbieten, was mir kuenftig hoffentlich mehr Moeglichkeit bietet mehr von der Umgebung kennenzulernen.

Eigentlich hatte ich mir fuer diesen Freitag fest vorgenommen eine ausfuehrlichere Mail zu schreiben, in der ich auch ein paar Fotos einbauen wollte. Da ich seitdem ich in Khartoum war meinen Fotoapparat wieder bei mir habe waere es durchaus moeglich gewesen. Auch haette ich das ein oder andere Foto schon gehabt. So waren wir beispielsweise letzten Freitag abermals mit Eseln unterwegs und auch ein Luftaufnahmen habe ich gemacht, als ich aus Khartoum zurueckgekommen bin, die einen ganz guten Eindruck bzgl. der Lage und Groesse unserer Klinik geben. Aber, aber, aber, wir haben mal wieder Besuch von KollegInnen bekommen und da "muss" man sich ja nun mal ein wenig kuemmern. Schliesslich moechte man ja ein guter Gastgeber sein. Wie dem auch sei, ich wollte nur sagen, dass es diesmal immer noch keine Fotos gibt!

So, genug fuer heute, ich hoffe ich konnte zum Ausdruck bringen, dass wirklich keine Notwendig besteht sich um mich zu Sorgen. Die Auseinandersetzungen finden wo anders statt. Ich wuensche euch Allen, alles Liebe und Gute, und dass Ihr zumindest noch einen goldenen Herbst erleben werdet, nachdem der Sommer ja anscheinend nicht ganz so der wahre Jakob gewesen ist, oder? Hier ist die Regezeit auf jeden Fall vorueber und die Sonne scheint den ganzen Tag. Nur in den fruehen Morgen- und den spaeten Abendstunden ist es zu kalt fuers T-Shirt, aber das ist schon o.k. ;-)

Macht's gut, bis dann,
frank

***Mail vom 06.09.2007***

Liebe Freunde,                                                                                                                                                                                                                  Khartum, 04.09.2007

Wie Ihr rechts oben sehen könnt bin ich zurück in der Zivilisation. Am Sonntagmorgen hat man mich ausgeflogen. Nein, nein keine Panik! Alles ist in bester Ordnung. Ich bin mit dem Helikopter des WFP (World Food Programme) nach Nyala geflogen und von dort dann gestern – ebenfalls mit WFP, aber diesmal mit ’nem Flieger – hierher nach Khartum. Ich bin hier, um eine Woche lang zu „resten and recreation“ (R&R), worauf ich mich nicht nur die letzten beiden Wochen wirklich gefreut habe, sondern es auch tatsächlich nötig habe.
Doch dazu später mehr.

In der kurzen Zeit, seit ich hier in Khartum bin, komme ich nicht umhin festzustellen, dass nicht nur geografisch betrachtet riesige Distanzen zwischen Feina, meinem eigentlichen Aufenthaltsort im Darfur, und der hiesigen Hauptstadt des Landes liegen. Nein, insbesondere die Unterschiede im Stand der Entwicklung sind so enorm und augenfällig, dass ich die Menschen im Darfur verstehen kann, wenn sie mit der Zentralregierung mehr als unzufrieden sind.
Jahrelange (beabsichtigte) Vernachlässigung des Darfur haben dafür gesorgt, dass das übliche Stadt-Land-Gefälle hier um einiges extremer ausfällt als in anderen Ländern.
Hier in booming Khartum reiht sich ein mehrgeschossiger Neubau an den anderen. Dort in Feina leben die Leute – wenn sie Glück haben – in Lehmhütten. Wenn sie keines haben gehören sie beispielsweise zu jener Gruppe von Menschen deren Dörfer von der eigenen Regierung bombardiert und niedergebrannt wurden. In solchen Fällen gehören sie zu den tausenden von Menschen, die unter Planen irgendwo schwer zugänglich in den Bergen rund um Feina leben und offiziell als IDPs (Internal Displaced People) bezeichnet werden.
Diese Leute sind Flüchtlinge im eigenen Land und deshalb UN-technisch gesehen keine wirklichen Flüchtlinge, denn dazu muss man eine Landesgrenze überschritten haben. Das wiederum bedeutet, dass es schwierig ist Nahrungsmittellieferungen für diese Leute durchzusetzen, da die UN befürchtet sie könne aus Versehen Menschen Lebensmittel geben, die dazu gar nicht berechtigt sind, weil sie noch an ihrem angestimmten Platze wohnen. Dass diese Menschen jedoch aus Angst vor Angriffen sich nicht trauen ihre Felder zu bestellen und gleichzeitig die wenigen Nahrungsmittel, die sie haben, mit den IDPs teilen, findet leider nur allzu selten Berücksichtung bei der Entscheidungsfindung wer was und wie viel bekommt. Alles klar?

Läufst Du in Khartum durch die Strassen, so bemerkst du schnell, dass überall gehämmert, eingerüstet, verputzt und gestrichen wird. Dir fällt auf, dass die meisten Leute gut gekleidet sind, dass zumindest die Hauptstrassen asphaltiert und teilweise sogar beleuchtet sind. Du stellst fest, dass das Straßenbild zwar von den quirligen, zweitaktigen, dreirädrigen VESPA-tuk-tuks gemeinsam mit koreanischen Kleinwagen-Taxis bestimmt wird, aber auch die fetten, übermotorisierten Land Cruiser im Bossy-Style, die gebrauchten Mercedes und BMW sind keine Seltenheit. Ganz im Gegenteil dazu Feina: Die einzigen Autos dort sind unsere beiden Land Cruiser – Hardtop und die zwei IVECO Allrad Trucks, die MSF irgendwann mal von der holländischen Armee übernommen und weiß überlackiert hat. Ansonsten gibt’s nur Esel, Esel, Esel und ein paar Kamele. Hier in der viereinhalb Millionen Stadt bekommst du (mit den notwendigen Finanzen ausgerüstet) quasi alles zu kaufen. Dort in Feina, wo ca. zwanzig bis dreißig Tausend Menschen wohnen bist Du froh, wenn ein comercial truck es schafft die achtstündige Fahrt von Nyala hoch in die Berge zu meistern ohne dabei überfallen zu werden. Denn schafft er es, dann stehen deine Chancen gar nicht schlecht, dass Du Salz, Zucker und auch Seife auf dem sonntäglichen Wochenmarkt kaufen kannst. Aber die Trucks haben es schon seit Wochen nicht mehr geschafft… Ich kann das gut verstehen. Wenn ich in der Haut des LKWFahrers gesteckt hätte, der uns die zehn Bettgestelle, sieben große Gasflaschen und einige Bambusstäbe aus Nyala liefern sollte, dann würde ich mich auch nach einem anderen Job umsehen. Denn sicherlich ist es alles andere als angenehm mit einem klapprigen NISSAN Diesel, voll gepackt bis kein Nagel mehr auf der Ladefläche Platz findet, auf einem zusammengeschnürten Campingstuhl zu sitzen und so die mindestens zehn Tonnen schwere Fracht die Berge hinauf zu lenken, und das über Straßen, die diesen Namen nicht im Geringsten verdienen. Damit nicht genug, als (schein)selbstständiger LKW-Fahrer bist Du am Umsatz aber auch an den Investitionen in die Güter beteiligt. Tja, und dann biegst Du um irgendeine Ecke und plötzlich hast Du eine Reiterhorde auf zehn, zwanzig Pferden und Kamelen, bewaffnet mit Macheten und Maschinengewehren um dich herum, prügeln dich und rauben dich bis auf deine Unterhosen aus. So tatsächlich mit besagter Person geschehen. Wenn es nicht solch eine traurige Geschichte gewesen wäre, wäre der Anblick des Fahrers, als er in diesen viel zu großen Hosen, die ihm irgendjemand überlassen hat, vor uns stand und seine Geschichte erzählte, durchaus amüsant gewesen. Aber das war es nicht. Das einzig Positive für uns war die Tatsache, dass den Banditen die Bambusstäbe zu lang und die Gasflaschen zu suspekt waren, als das sie sie auf ihren Kamelen transportieren konnten bzw. wollten. So waren wir die einzig „Glücklichen“, die überhaupt etwas von ihrer Bestellung erhielten.

So, ich will hier nicht nur von den sad stories berichten, schließlich bin ich hier, um mich davon zu erholen, Abstand zu finden und neue Kraft zu tanken. Was ich gestern auch schon ausgiebig getan habe. Denn – völlig unerwarteter Weise – bin ich in den Genuss einiger Flaschen WARSTEINER gekommen. Zugeben in Deutschland definitiv nicht first choise bei der Wahl meiner Getränke, zeigt sich jedoch hier Norden des Sudans, wo das Gesetz der Sharia gilt und somit ein striktes Alkoholverbot besteht, dass nicht nur der Teufel in der Not Fliegen frisst. Zu diesem glücklichen Umstand kam es, nachdem ich bereits im Flieger von Nyala nach Khartum von einer UN-Mitarbeiterin erfahren habe, dass alle zwei Wochen dienstags im Garten der deutschen Botschaft eine Bar betrieben würde. Man müsse aber rechtzeitig, so gegen acht Uhr, dort sein, da man ansonsten mindestens eine Stunde Wartezeit in Kauf nehmen müsse, um überhaupt Einlass zu finden. Nun, ich hoffte noch, dass ich auch die richtige Woche getroffen habe, da fragt mich doch mein Kollege, kaum das ich im Guesthouse von MSF angekommen bin, ob ich denn Lust hätte gleich (um kurz nach Acht) mit zur deutschen Botschaft in die Gartenbar zu kommen. Keine Frage! Und so kam es, dass ich gestern mitten in Khartum auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland meine ersten Biere seit fast drei Monate ausgesprochen genossen und anschließend nicht weniger gespürt habe.

Eigentlich – so waren zumindest bis gestern noch die Planungen – sollte es am Donnerstag in den Pick-Wick Club in der englischen Botschaft gehen. Mein Kollege hat mich in weiser Voraussicht schon auf die Gästeliste gesetzt. Heute habe ich mich aber dazu entschlossen am Donnerstag mit meiner Kollegin in die Wüste zu fahren, dort zu übernachten und die dortigen Meroe-Pyramiden (ja, ja Bernd – tatsächlich) zu besichtigen und erst am Freitag wieder zurückzukehren. Also, Kultur statt Kneipe! Aber wer weiß vielleicht tut sich ja noch was Privates für den Freitagabend auf. Ansonsten ist es auch nicht ganz so schlimm. Schließlich habe ich feststellen können, dass drei Monate ohne Sprit auch kein allzu grosser Deal sind, insbesondere nicht wenn man von morgens bis abends beschäftigt ist.

Apropos beschäftigt sein: Ja, der Job gefällt mir außergewöhnlich gut. Gestern in Nyala bin ich von meiner neuen Chefin gefragt worden, ob meine Erwartungen an die Arbeit auch mit dem bisher Erlebten übereinstimmen. Tatsächlich konnte ich dies mit ganzer Überzeugung bestätigen. Ich möchte sogar behaupten, dass meine Erwartungen übererfüllt wurden – zumindest bisher. Und ich hoffe natürlich, dass sich im Laufe der nächsten Monate daran nichts ändern wird. Zwei, drei Dinge sind es in der Hauptsache, die den Job für mich so interessant und erfüllend machen. Zum einen ein recht ausgewogenes Verhältnis von technischer, handwerklicher Arbeit und Managementtätigkeiten sowie administrativer Aufgaben. Zum anderen muss ich oft schnell Entscheidungen treffen, um auf die sich permanent ändernden Bedingungen adäquat reagieren zu können. Das macht eine lang- bzw. mittelfristige Planung zwar teilweise unmöglich oder schlimmer noch, bestehende Planung werden hinfällig und sinnlos. Das wiederum kann durchaus frustrierend sein, insbesondere natürlich wenn man zuvor viel Energie in die Ausarbeitung eines Plans oder einer Strategie gesteckt hat. Aber auf der anderen Seite macht es die Arbeit so unglaublich lebendig. Jeden Tag treten soviele unvorhersehbare Situationen ein, dass ich morgens nicht weiß wie der Tag enden wird. Für gewöhnlich stehe ich jedoch gegen 7.30 h auf und habe ein kleines Frühstück mit Kaffe und BP 5. Das sind solche High-Energy Biscuits die wir auch an unsere unterernährten Patienten verteilen. Während des Frühstücks wird die aktuelle Sicherheitslage und mögliche Konsequenzen für unsere Arbeit besprochen. Gegen Acht bespreche ich dann mit „meinen Leuten“ wie die Planungen für diesen Tag aussehen. Arbeiten wie z.B. der Bau eines neuen Klinikgebäudes, die Entwässerung unseres Compounds, die Installation einer neuen Funkantenne oder die Vorbereitungen für eine mobile Klinik werden auf die einzelnen Leute verteilt. An mir ist des dann die Arbeiten im Laufe des Tage zu kontrollieren und beratend zur Seite zu stehen. Ich selber kümmere mich danach meist um die Lagerhaltung. Das heißt die Medikamentenbestände aber auch die logistischen Artikel und die Lebensmittel müssen in ausreichender Menge vorhanden sein. Und hier liegt ein großes Problem. Wie ich schon erwähnte, kann man Feina derzeit nur mit dem Helikopter sicher erreichen. Das macht den Nachschub sehr schwierig und meine Planungen eben mehr. So kommt es immer wieder vor, gerade in den letzten Wochen, als die logistische Abteilung in Nyala ein neues Computerprogramm eingeführt hat, dass wir mir Versorgungsengpässen zu kämpfen haben. Mal sind es die Lebensmittel, die nicht rechtzeitig geliefert werden und wir uns drei Wochen lang mehr oder minder von Bohnen, Reis und Schokoladenplätzchen ernährt haben. Mal fehlen uns wichtige Medikamente, Verbandsmaterial oder wie gerade im Moment, dass uns die Decken ausgehen. Das ist besonders schlimm, weil wir anstatt geplanter fünf stationärer Patienten in den letzten zwei Wochen nie weniger als zwanzig unterernährte Kinder mit ihren Müttern unterbringen mussten. Für mich bedeutet das, ich muss immer wieder neue Möglichkeiten schaffen, wo die Patienten schlafen können. Na ja, und da unserer Betten gestohlen, alle Paletten aufgebraucht und keine Matratzen mehr übrig sind, müssen die Leute halt auf dem Boden schlafen. Da sind Decken durchaus hilfreich zumal die Temperaturen nachts mittlerweile auf 15 Co sinken. Decken sind aber, wenn sie in 25er Bündeln geliefert werden, recht schwer, was den Transport per Helikopter wiederum zur Ausnahme macht. Das ist nur ein Beispiel der Probleme ich zu bewerkstelligen habe. Ein anderes, das mir unter den Sohlen brennt, bzw. an den Hintern spritzt, sind unsere Latrinen. Feina liegt in der East Jebel Mara, einer gebirgigen Gegend. Sprich, der Boden ist als steinig, gar felsig zu beschreiben. Für meine armen Tagelöhner, die mir täglich bei Bau von was weiß ich nicht allem tatkräftig zur Seite stehen, heißt dies, ab ca. einem Meter können sie die Schüppe getrost in die Ecke stellen und die Pickhacke in die Hand nehmen. Mein Vorgänger hatte anscheinend ein wenig zuviel Mitleid mit seinen Tagelöhnern und ließ sie im April oder Mai die Löcher der Latrine nur unzureichend tief graben. Will sagen mittlerweile versuche ich bei jeder Benutzung eine neue Technik zu entwickeln, um nicht von den fast unvermeidlichen splash backs getroffen zu werden. Es müssen also dringend eine neue Latrinen her. Aber ansonsten ist alles super… :-)

Solche und ähnlich Aufgaben habe ich täglich zu meistern. Und davon gibt’s genug, so dass ich normaler Weise nicht vor acht, neun Uhr abends Feierabend mache. Dann sitzt man noch mit den KollegInnen zusammen bespricht den vergangen Tag und die anstehenden Aufgaben des anstehenden Tages, schaut DVDs oder „siedelt in Catan“. Gegen zehn, elf Uhr krieche ich dann wieder in mein Tukul und schlafe in der Regel nicht sonderlich gut, weil mich einfach noch zu viele Dinge beschäftigen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass ich so wie gerade alle zehn, zwölf Wochen einfach mal ’ne Woche nix mache, raus bin aus meinem Compound und versuche an ganz andere Dinge zu denken. Das ist dann R&R! 

So wahrscheinlich habe ich wieder viel zu viel geschrieben und die meisten von euch damit gelangweilt. Na ja, selber Schuld, wenn ihr nicht aufhört zu lesen. Auf jeden Fall werde ich euch noch ein paar Fotos anhängen. Nach anfänglichem striktem Fotografierverbot, zeigt es sich nun, dass sich die Durchsetzung in der Praxis doch als schwieriger erweist als angenommen, insbesondere wenn der Projektleiter selber einen Fotoapparat hat… 

Also, ich wünsche euch allen alles Liebe und Gute sowie einen sonnigen September.

Bis dann,
frank

P.S. Manche Bilder sind qualitativ nicht sonderlich gut, da ich sie mit meinem Telefon fotografiert habe – sorry!

hier die Bilder - bitte jeweils mit ZURÜCK-button des browsers zu dieser seite zurückkehren.

 

***Mail vom 08.08.2007***

Hi,

Bei manchen von Euch habe ich mich schon laenger nicht mehr gemeldet. Deshalb wollte ich nur mal kurz mitteilen, dass es mir gut bis prima geht!
Es gibt keinen Grund sich Sorgen zu machen und heute hatte ich sogar das Vergnuegen unseren Compound fuer mehr als eine Stunde zu verlassen. Grund
dafuer war, dass wir eine mobile Klinik fuer IDP (Internal Displaced People - Fluechtlinge im eigenen Land) durchgefuehrt haben. Der Ort des
Geschehens war nicht sonderlich weit von unserer Klinik entfernt, nur eine halbe Stunde Fahrt mit dem LandCruiser, aber wenn man - so wie ich - immer
am selben Ort ist, dann tut es richtig gut mal etwas anderes zu sehen. Und die Landschaft hier ist richtig schoen: Sehr gebiergig, zurzeit in
verschiedensten Gruentoenen und immer wieder hier und da Siedlungen mit strohgedecken Tukuls.

Das ist richtig spannend, so eine mobile Klinik. Vielleicht ja nur die ersten paar Male, aber fuer mich ist es noch so. Du packst tags zuvor alle
Medikamente und medizinisches Equipment ein, zusaetzlich Planen, Pfosten, Tische, Stuehle usw. und morgens kurz vor acht geht's dann los. Eimal
angekommen, baust du ein Shelter auf, drunter werden drei Tische und ein paar Stuehle gestellt und los geht's. Die Leute kommen von allen Seiten,
meistens haben sie Diarhoe und irgendwelche Skin diseases. Nun, ich konnte die Zeit nutzen, ein wenig in der Gegend umher wandern und mir ein Bild von
den katastrophalen Lebensumstaende der IDP zu machen. So etwas habe ich in TZA noch nicht gesehen. Selbst die letzte Huette ist noch ein Schloss im
Vergleich zu den plastic shelters, die die IDP zusammenbasteln. Maximal 1,5 m hoch und 2 m im Durchmesser muessen reichen fuer eine fuenf- bis
siebenkoepfige Familie. Keine Decken, keine Planen und das auf 1700 m Hoehe und waehrend der Regenzeit. Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass so
ziemlich jeder dort hustet und fast keinem Kind die Nase nicht laeuft - schrecklich. Und dann bin ich doch wieder ueberrascht, wie wenig Kinder
unterernaehrt, bzw. bedrohlich unterernaehrt sind. Im Prinzip haben die ueberhaupt keinerlei Nahrung und trotzdem schaffen sie es irgendwie doch
sich von Tag zu Tag am Leben zu erhalten.

Anyway, wie gesagt, abgesehen von solchen teilweise herzzerreissenden Momenten und der Tatsache, dass ich ziemlich festsitze hier in Feina,
gefaellt es mir gut. Bei der Organisation und Verwaltung des medical stores, schlaegt meine Archivarenherz jedesmal auf's Neue hoeher. Da die Klinik noch
immer waechst und waechst, muss ich mich gleichzietig um die Bauplanung und Durchfuehrung der neuen Gebaeude kuemmern. Dann gibt es immer irgendetwas zu
reparieren und elf Guards zu organisieren ist auch nicht ganz so einfach, aber eben spannend. Jeder Tag ist anders. Das ist wahrscheinlich auch der
Grund dafuer, dass die Zeit zu rennen scheint.  Am 02.09. fliege ich schon nach Khartum, fuer meine erste R&R (rest and recreantion)- eine Woche frei, um mich zu erholen. Ich hoffe ich habe die Moeglichkeit die Pyramiden in der Naehe von Khartum zu besichtigen. Aus Sicherheitgruenden ist es der einzige Ort im Sudan, den wir ausserhalb unserer Projektplaetze, besuchen duerfen. Aber man darf auch nicht alleine dorthin. Also muss ich darauf hoffen, dass mich jemand begleitet. In Khartum werde ich auch wieder die Moeglichkeit haben auf mein Gmail-account zuzugreifen, Pizza zu essen, eiskalte Coca-Cola trinken und was man sonst so macht in der Hauptstadt eines islamischen Landes...

 Ich wuensche Euch auf jeden Fall weiterhin einen schoenen Sommer (so wie ich mitbekommen habe, war's bisher noch nicht so ganz das Wahre, oder) sowie alles Liebe und Gute,

frank

***Mail vom 10.07.2007***

Hi Thommes,
......
Es wundert mich nicht, dass Du zu Feina nichts gefunden hast. Es handelt sich halt um ein Kaff mit einer Handvoll Tukuls. Wir befinden uns hier gar nicht, wie ich bis zu meiner Abreise angenommen habe, in einem Fluechtlingslager. Die Fluechtlinge, bzw. IDPs halten sich in den umliegenden Doerfern auf oder haben schlichtweg irgendwo gesiedelt. Das macht die Geschichte fuer uns zwar schwieriger, die Leute zu erreichen, gleichzeitig ist es aber auch herausfordernder. So bin ich schwer gespannt auf meinen ersten Trip per donkey. Ich weiss zwar noch nicht wann es soweit sein wird, aber es wird unumgaenglich sein, weil verschiedene Orte nicht per Landcruiser und auch nicht per LKW erreicht werden koennen. Kollegen haben mir jedoch gesagt, dass der anfaengliche Spass spaetestens nach drei Stunden vorueber ist, wenn einem nicht nur der Hintern weh taete. Nun, ich werde es ja sehen... ;-)

Also, dann richte Moni mal liebe Gruesse und herzliche Glueckwuensche aus!
Bis dann, frank

***Mail vom 07.07.2007***

Hallo,

Seit nunmehr einer Woche bin ich in Feina. Um genauer zu sein, in Bali.  Und ich kann euch sagen: Wir sind mittendrin! Nein, nicht wie Ihr nun vielleicht denken werdet mitten in den Auseinandersetzungen. Ganz im

Gegenteil, mitten drin im ganz normalen Leben. Direkt neben unserer Klinik liegt der Markt, der - nach Angaben meiner Kollegen - mit rasender Geschwindigkeit waechst und jede Woche mehr Staende hat. Dass der Markt

ueberhaupt wachsen kann hat vor allem damit zu tun, dass es hier ausserordentlich ruhig zu geht. So erklaerten mir meine Kollegen beispielsweise, dass bis vor zwei Wochen nachts zwar noch Schuesse zu hoeren, waren, es sich dabei jedoch um Schuesse anlaesslich von Hochzeiten oder sonstigen Festlichkeiten gehandelt habe. Seit aber ein Junge versehentlich bei einer solchen Zeremonie erschossen wurde, hat der Sultan (Chef des Dorfes) auch dies verboten und so ist es ziemlich ruhig.

Meine Nachtruhe wird einzig durch die Vielzahl Esel, die es hier gibt, gestoert. Insbesondere in den Naechten von Samstag auf Sonntag sowie von Sonntag auf Montag ist es schier unertraeglich. Ihr koennt euch das wahrscheinlich nicht vorstellen. Ich konnte es zumindest nicht. Aber wenn Markt ist, dann sind um den Marktplatz herum hunderte Esel geparkt. Also, ich moecht fast behaupten, es sind bis zu 500. Ich habe noch nie soviele

Esel gesehen. Auch gibt es ein paar Pferde, aber nur ganz wenige. Gewoehnlicher ist da schon das gemeine Kamel bzw. Dromedar. Letzteres wird auch auf dem Feld vor den Pflug gespannt - ein wirlich lustiges Bild.

Meine Arbeit ist interessant, abwechslungsreich und bisher nicht zu anstregend. Meine KollegInnen sind durch die Bank nett und freundlich und die Landschaft ist einfach grossartig. Gerade jetzt, es ist acht Uhr, geht

die Sonne unter. Die Wolken, teils lang gezogen, teils gehaeuft, verteilt ueber den gesamten weiten Himmel, werden noch von dem letzten hellgelb schimmernden Licht angestrahlt. Die Siluetten der sich hintereinander

reihenden Bergketten heben sich grau ab von dem hellhellblauen Himmel - einfach grandios! Apropos grandiose Landschaft: Am Mittwoch war ich mit Hans, meinem Vorgaenger und zwei lokalen Mitarbeitern in einem Dorf, welches bisher von MSF noch nicht besucht wurde. Wir mussten nur ca. 15 min zu Fuss gehen. Aber allein diese kurze Wanderung war schon ein Erlebnis der besonderen Art. Sie begann in einem Tal, welches von einem Fluss geteilt und wie zurzeit der Rest der Landschaft ebenfalls in frischestem Gruen erscheint. Wir gingen bergauf und hatten dabei diesen genialen Blick zurueck ins Tal. Schon waehrend des Aufstiegs konnten wir die ersten Tukuls, also Huetten der Dorfbewohner sehen. Wir nahmen an, es handele sich um ein sehr kleines Dorf mit evtl. 20 bis 30 Familien. Doch oben angekommen sahen wir, dass wir vollkommen falsch lagen mit unserer Schaetzung. Der Dorfchef, der uns ausserordentlich freundlich empfing, erklaerte uns, dass in dem Dorf 210 Familien in 420 Tukuls leben. Wir besuchten dieses Dorf, es heisst Ustani, um herauszufinden wie es um die Gesundheit der Leute dort bestellt ist.

Ausserdem werden solche Anlaesse genutzt, um Schilderungen ueber die vergangenen Kriegshandlungen festzuhalten. Wir wollten also einige Bewohner befragen und dazu bedarf es der Zustimmung des Dorfchefs. Das war soweit kein Problem, wenn man davon absieht, dass wir zu Tee, Wasser und irgendeiner Pampe, hergestellt aus Sorghum, eingeladen wurden. Mein Gott, habe ich mich mit der Pampe quaelen muessen. Wie dem auch sei, im Anschluss habe ich vier Frauen befragen koennen. Das war wahnsinnig interessant, wenn auch teilweise herzzerreissend. So leben in dem Dorf ca. 30 % IDPs, also Internal Displaced People. Sie sind 2004 aus umliegenden Orten hierher geflohen, weil dieser Ort, schlechter erreichbar und somit sicherer ist. Ende 2003 und in 2004 hat die Regierung Doerfer hier in East Jebel Mara angegreifen lassen. Dabei fielen zuerst Reitertruppen ueber die Doerfer her, pluenderten diese und steckten sie in Brand. Anschliessend wurden die Doerfer bombadiert, um die noch existiereden Reste vollstaendig zu zerstoeren. Das ist auch wirklich ausserordentlich gut gelungen, wie ich schon bei meinem Flug hierher aus dem Hubschrauber heraus sehr gut erkennen konnte. Immer wieder sah ich Plaetze mit runden, schwarzen Flaechen - ehemalige Tukuls!

Doch zurueck, ich habe eine Frau interviewt und die hatte sogar doppeltes Pech. Denn sie floh von einem nahe gelegenen Ort nach Ustani und nur wenige Tage spaeter wurde auch Ustani angegriffen und wieder musste sie

fliehen, immer weiter, immer tiefer in die Berge, um sich und ihre Familie in Sicherheit zu bringen. Abgesehen von den koerperlichen Schaeden, die die Leute oder deren Familienmitglieder davon getragen haben und von den

Todesfaellen ganz zu schweigen, haben sie auch enorme wirtschaftliche Schaeden erlitten. Es ist kaum zu glauben aber teilweise hatten die Familien mehrere hundert Stueck Vieh - Rinder sowie Ziegen. Heute besitzen sie

teilweise nicht einmal mehr die Saat um ihre Felder zu bestellen. Viele sind voellig abhaengig von den UN-Lebensmittellieferungen. Wenn ich dann mit den Menschen spreche und diese mir sagen, dass es ihnen nun wieder gut geht, weil sie sich in Ustani sicher fuehlen, dann bin schwer beeindruckt, welch Lebenswille die Menschen haben. Gleichzeitig wird mir eine bisher voellig unbekannte Werteskala vor Augen gefuehrt. Der Wert, ohne Angst vor dem Verlust des eigenen Lebens oder das Angehoeriger und Freunde leben zu koennen, bekommt hier ein voellig anderes und gleichzeitig greifbares Gewicht.

Wir arbeiten hier jeden Tag. Der einzige offizielle freie Tag ist Freitag. Doch selbst an Freitagen arbeitet man ein wenig. Man hat ja auch sonst nicht wirklich etwas zu tun. Man kann das Gelaende nicht wirklich alleine verlassen. Natuerlich kann ich ins Dorf gehen, auf den Markt und auch ein wenig drum herum. Aber besser ist es schon, wenn man jemand anderen dabei hat, nur allein schon fuer den Fall der Faelle. Auf den muss man immer

vorbereitet sein. Das ist die oberste MSF-Regel. Aber unser Klinikgelaende ist auch wirklich nett. Mein Vorgaenger hat wirklich tolle Arbeit geleistet. Natuerlich darf man sich das Gelaende nicht im geringsten wie ein europaeisches Klinikgelaende vorstellen. Das massivste Gebauede ist das in dem sich die Kueche, das Medikamentenlager und das Office befindet. Es ist vollstaendig aus Steinen gebaut, die hier ueberall herumliegen. Es besteht also aus groben unbearbeiteten Steinen, die aufeinander geschichtet werden und mit Matsch und Eselskacke zusammengehalten werden. Das Gebaeude hat einen betonierten Boden und die Waende sind von aussen verputzt. Es besitzt vier Fenster, also vielmehr Loecher in den Waenden. In diesen Loechern befinden sich, ebenso wie in den beiden Tueren, in Stahlwinkel gefasste Wellbleche, die man - rein theorestisch - schliessen und oeffnen kann. Ich meine, natuerlich kann man die Fenster und Tueren schliessen und oeffnen, aber nicht in unserem Sinne, also nicht wirklich. So kann man die Fenster oft nur bis zur Haelfe oeffnen, weil dann einfach ein Stein aus der Wand ragt, der ein weiteres Oeffnen definitiv verhindert. Auch sind die Rahmen manchmal so ungenau geschweisst, dass der eine Fensterfluegel vor den anderen stoesst, so dass man ueberhaupt gar nicht darueber nachdenken muss, ob der Riegel tatsaechlich in den Buegel passen koennte.

Neben dem Office befindet sich der Schuppen fuer den Dieselgenerator, der eigentlich zweil Mal pro Tag fuer zwei Stunden laufen soll. Nun mussten wir in den letzten Tagen jedoch feststellen, dass die Batterien, die waehrend dieser Zeit aufgeladen werden, sich viel zu schnell entladen - ungewoehnlich schnell. Irgendwo muss ein Fehler im System vorliegen und diesen muss ich als bald als moeglich lokalisieren, da der Generator ansonsten fast ununterbrochen laufen muss und das nervt. Ach ja, neben dem Generatorenhaeuschen haben wir einen kleinen Huehnerstall mit zwei, drei Huehnern, nur fuer den Fall, dass es mal wieder kein Fleisch im Ort gibt... ;-)

Vor dem Office befinden sich unsere Tukuls. Wir alle, also meine Projektkoordinatorin, die Aerzte, die Hebamme und die Fahrer wohnen in diesen drei mal drei Meter Huetten. Auch diese sind mit Steinen gebaut, allerdings sind die Mauern nur ca. 1,20 m hoch und dann kommt schon das Strohdach. Darin habe ich ein Bett mit Moskitonetz und eine Blechkiste in der ich meine Kleidung und persoenliche Wertsachen aufbewahren kann. Auch habe ich Strom dort und auf dem Lehmboden liegt eine Strohmatte. Im Gegensatz zu den Tukuls, in denen die Sudanesen leben haben wir auch Tueren - wiederum aus Wellblech. Da unser Wasser jeden Tag per Esel gebracht wird, handelt es sich bei den beiden Toiletten um Latrinen und die Dusche ist eine Bucket-Shower, also ein Eimer Wasser, dem man Schoepfloeffelweise das Wasser entnimmt, um sich zu waschen. Ich bin ueberascht, wie schnell ich mich daran gewoehnt habe. Irgendwie ist alles nur eine Frage der Technik und der Uebung!

Vor dem beschriebenen Wohnbereich befindet sich der Parkplatz fuer die beiden IVECO 4x4 LKW und davor befindet sich das eigentliche Klinikgelaende. Die Klinik besteht aus zwei "Pfadfinderzelten" und drei Strohhuetten. In dem einem Zelt befindet sich zurzeit noch das Logistiklager. Dieses wird aber noch in diesem Monat zu den LKW verlegt. Doch dazu muss erst noch ein neues Gebaeude her. Dessen Bau ist ebenfalls eine meiner Aufgaben. Ein weiteres neues Gebaeude wird auch noch in diesem Monat gebaut und zwar fuer die stationaeren Patienten. Die zurzeit maximal sechs Patienten werden dann das Zelt, in dem sie sich zurzeit aufhalten, verlassen koennen und in Gebaeude ziehen, dass teils aus Stein, teils aus Bambus gebaut wird. Es soll groesser werden, als das Zelt, so dass wir acht Patienten die Moeglichkeit geben koennen stationaer behandelt zu werden. Ausserdem soll es besser belueftet sein als die Zelte es derzeit sind. In den drei Strohhuetten befinden sich die eigentlichen Behandlungsaeume. Eine ist fuer die Untersuchung der ambulanten Patienten. In einem werden die Verbaende gewechselt und aehnliche Dinge gemacht. Die dritte ist fuer Ante-Natal-Care und hat auch einen Raum, der als "Kreisssaal" benutzt wird.

Tja, leider habe ich keine Fotos, da fotografieren im Sudan verboten ist. Aber innerhalb der naechsten neun Monate werde ich bestimmt trotzdem das eine oder andere Foto machen. Nur schicken kann ich sie halt auch nicht,

da wir unsere Email hier quasi ueber ein spezielles Handy direkt an einen Satelitten schicken und dies unglaublich teuer ist. Ja, man kann mich auf diesem Handy auch anrufen, aber ehrlich gesagt, kenn ich die Nummer noch

gar nicht und natuerlich ist das ebenso unglaublich teuer. So, die email ist viel, viel laenger geworden, als ich gedacht habe. Eigentlich wollte ich ja nur mitteilen, dass ich unter der Absender-Adresse per email erreichbar bin. Aber bitte, bitte, falls Ihr mir eine Mail schreiben moechtest, haengt nichts an, das groesser ist als 200 KB, sonst dauert das downloaden ewig und es kostet richtig Kohle - Spendengelder! Nichtsdestotrotz freue ich mich natuerlich ueber jede Mail, die ich bekomme. Leider habe ich meine ganzen email-Adressen nur auf meinem GMail-Account gespeichert. Deshalb habe ich Hans gebeten, als er nun in Nyala war, mir die wichtigsten Adressen von dort herauszusuchen und mir zu schicken. Falls euch also jemand fragen sollte, wie es mir geht, koennt Ihr guten Gewissen sagen, dass es mir gut geht. Und - wenn Ihr moechtest - koennt Ihr diese Mail gerne auch weiterleiten bzw. meine Adresse weitergeben, aber bitte nur unter dem Hinweis auf die maximalen 200 KB. Falls Ihr mir evtl. innerhalb der letzten Woche geschrieben haben solltet und ich nicht geantwortet habe, dann liegt es einfach daran, dass ich die Email noch nicht abrufen konnte. Es waere in diesem Fall schoen, wenn Ihr mir die Mail nochmal an diese Adresse schicken koenntest. Danke schoen!

Wie gesagt, mir geht es hier gut, alles ist hier prima und weitestgehend sicher. Es brauchst sich also definitiv niemand Sorgen zu machen! Ich wuensche Euch, dass es euch auch gut geht und dass Ihr ein schoenes, erholsames Wochenende haben werdet.

Bis dann,
frank

P.S. Hier gibt es tatsaechlich keinen Alkohol zu kaufen. Zumindest keinen offiiziellen, also welcher der auch schmeckt! Wird sicher 'ne interessante Erfahrung solange ohne Sprit. Und wenn ich wieder in D'land bin, werden

meine Kneipenbesuche sicherlich wieder um einiges billiger... :-)

***Mail von Ende Juni.2007***

Liebe Freunde,

Manche wissen es bereits, manche noch nicht. Seit letzter Woche bin ich im Sudan und um genauer zu sein, in der Region Darfur, also im Westen des Landes. Viele von euch haben sicherlich schon davon gehoert, dass hier noch immer ein Buergerkrieg im Gange ist. Aus diesem Grunde sind auch die Aerzte ohne Grenzen (MSF) vor Ort und mit denen bin wiederum ich hier.

Ich werde die naechsten neun Monate hier fuer MSF als Logistiker ein Public Health Centre in einem Ort namens Feina betreuen. Feina liegt auf ca. 2000 m Hoehe und ist nur sehr schwer zugaenglich. Das bedeutet fuer mich persoenlich, dass ich ab Donnerstag, dem Tag an dem ich nach Feina fliegen werde, nicht mehr besonders gut erreichbar bin. Ich werde jedoch von Zeit zu Zeit hierher nach Nyalla, der regionale Hauptstadt zurueckkehren und die Moeglichkeit haben meine Emails abzurufen. Auch kann ich hier SMS, die an meine deutsche Tel-Nr. geschickt werden empfangen. Ich freue mich natuerlich ueber jede Nachricht von Euch. Wundert euch aber bitte nicht, wenn es laengere Zeit dauert, bis ihr eine Antwort bekommt.

So weit so gut, ich wuensche euch alles Gute und lasst von euch hoeren.
Bis dann, frank

 Ach ja, fotografieren ist im Sudan nicht erlaubt, also wird es wohl in Zukunft eher wenige Fotos von mir geben.

Frank Terhorst
Cecilienstr. 35
D - 47 051 Duisburg
+49 160 920 74173